Mittwoch, 19. Juni 2013

Gefühle - Ein Tabuthema

Gefühle. Das sind diese merkwürdigen Teile, die sich nicht richtig greifen lassen. Die Dinger, aus denen Gedanken werden (manchmal auch anders herum). Und gelegentlich der Grund, wieso es uns gut oder eben schlecht geht. 

Aci und ihre Gedankensplitter..
Gefühle unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Einem anderen seine Gefühle erklären zu wollen, gestaltet sich oft extrem schwierig. Weil Gefühle eigentlich nur dann 'nachgefühlt' werden können, wenn man sie selbst schon mal gefühlt hat. Aber selbst wenn man das denkt, weiß man im Grunde nie, ob es tatsächlich die gleichen Gefühle waren. Das ist das Problem an nicht greifbaren Dingen. Sie sind abstrakt. Und sie mit Worten zu umschreiben, wird dem meistens kaum so richtig gerecht. 

Schöne Einleitung, nicht? *grins*

Worauf ich aber eigentlich in diesem Posting hinaus will ist die Tatsache dass in unserer Gesellschaft viele Gefühle als Tabuthema definiert sind. 

Manches was man fühlt, traut man sich gar nicht auszusprechen. Oft weil man denkt, eh nicht verstanden zu werden. Oder weil man keine Angriffsfläche geben will. Vielleicht auch ganz simpel deswegen, weil man nicht möchte das ein falscher Eindruck entsteht. Weil man sich schämt.

Dazu kommt, dass ich manchmal den Eindruck habe, dass unsere Gesellschaft ein Schema F hat, wie man sich als normaler Mensch zu fühlen hat.

Erfüllt man dieses Schema nicht, wird man blöd von der Seite angeschaut – manchmal auch von oben herab – oder man wird komisch behandelt und darf sich abwertende Sprüche anhören.

Ganz aktuell vor vier Wochen nach meiner Hochzeit. Die "gesellschaftliche Gefühlspalette" schreibt anscheinend vor, dass man vor seiner Hochzeit aufgeregt sein muss. Ich war das nicht. Schlussfolgerung eines Gastes: Ich hätte mich gar nicht richtig gefreut, nicht so "wie es sich gehört". Aha.

Anderes Beispiel, nur um noch eins aufzuführen: Anfang des Jahres ist meine Oma verstorben. Wir hatten kein besonders enges Verhältnis mehr und seit ich 16 war ist Funkstille gewesen. Zu hören bekam ich, dass ich mich schämen sollte weil ich so fröhlich wirke obwohl doch gerade meine Oma verstorben sei. 

Ich meine – ich versteh ja, dass andere das vielleicht nicht verstehen können. Aber ich verstehe nicht, wie man nicht verstehen kann, dass andere eben anders empfinden. Wisst ihr was ich meine?

Aber nochmal zurück zum Schema F. Man fühlt sich irgendwie automatisch unwohl dabei, wenn die eigenen Gefühle von diesem Schema abweichen. Man bekommt fast selbst schon das Gefühl, irgendwie nicht "normal" zu sein. Ich hatte zeitweise sogar ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht um meine Oma trauern konnte. 

Dabei ist dieses Gefühlsschema vollkommener Unsinn.
Ich persönlich sehe das außerdem auch als großes Problem an. 

Denn nur weil unsere Gesellschaft so auf bestimmte Gefühls-Muster getrimmt ist, konnte es überhaupt so weit kommen, dass so viele Menschen inzwischen zum Beispiel unter Depressionen leiden. Weil sie nicht rechtzeitig über ihre wahren Gefühle sprechen konnten. Man muss ja immer stark sein. Sich behaupten können. Darf keine Schwäche zeigen. Darf nicht abweichen von der 'Norm'.

Letztendlich ist es oft doch nichts anderes, was eine Depression auslöst: Der Druck der Gefühle, die man sich nicht auszuleben oder auszusprechen traut, die man sich manchmal nicht mal selbst eingestehen will.. weil die Gesellschaft sagt "so darf man sich nicht fühlen" / "so zu fühlen ist falsch"..

Dieser Druck ist es, der oft erst die Katastrophe auslöst. 

Mein Gedankenkarussell dreht sich da noch weiter - bis hin zu Kriminellen, die vielleicht nicht kriminell geworden wären, wenn sie im Vorfeld mit jemandem über ihre 'unüblichen' Gefühle gesprochen hätten.

Gefühle die man möglicherweise in andere Bahnen hätte lenken und therapieren können. Der Mörder, der Kinderschänder, der Drogenjunkie. Aber wer gibt Menschen mit Gefühlen diesen Ausmaßes schon eine Lobby zum Reden?

Niemand kann etwas dafür, was er fühlt. Und manchmal ist das, was man fühlt, vielleicht einfach zu mächtig um alleine damit zurechtzukommen.. und dann geschieht, was eigentlich nie geschehen dürfte?

Worauf ich hinaus will ist.. Gefühle jedweder Art sollten kein Tabuthema sein. Jeder von uns sollte offen damit umgehen können, was er wirklich empfindet. Und wenn andere auch offen werden, für Gefühle die sie vielleicht nicht verstehen, für die sie sich aber interessieren.. sie vielleicht ihre Hilfe zur Bewältigung dieser anbieten. Dann könnte das unsere Welt ein kleines bisschen besser machen.

Ein klein wenig gesünder, friedlicher, harmonischer und schöner...


1 Kommentar:

  1. Hi,
    ich glaube hier fehlt fast nichts. Du hast so ziemlich alles zusammengetragen zu diesem Thema.
    Ich gehe noch ein Stück weiter und behaupte dass das Unterdrücken von Gefühlen gefährlich ist. Wenn man nicht aus sich heraus kann, dann explodiert man irgendwann. Soviel auch zum Thema Mörder, Kinderschänder, Drogenjunkie.
    Das Unterdrücken von Gefühlen bezeichnen manche Menschen auch als "Selbstschutz". Wenn man niemanden an sich heran lässt, kann man auch nicht verletzt werden. Dass man davon aber auch nichts hat merkt man gar nicht.
    Kennst du den Song "Diktatur der Angepassten"?
    Dieses Schema F, so wie die Gesellschaft und die Menschen jemanden gerne hätten, ist sehr gefährlich. Dann doch lieber anders sein und Gefühle zeigen. Nicht nur funktionieren, sondern wirklich auch leben.
    Danke für dieses tolle Thema. :-)
    Ach ja, die Einleitung ist echt schön :-)
    Liebe Grüße

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