Dienstag, 25. September 2012

Der Mann an der Tanke..

Heute Morgen sah ich an der Tankstelle einen Mann, der sich zu seinem Frühstücksbrötchen gleich einen Schnaps mit hinter die Binde kippte..

Ich hab ihn noch eine Weile beobachtet, sein Gang war mühselig, seine Schultern hingen schlaff herab und seine langen Arme baumelten gleichgültig neben dem schlaksigen Körper im Rhythmus seiner irgendwie mechanischen Bewegungen.

Seine Augen waren halb geschlossen, sie wirkten traurig.. mit der einen Hand hielt er krampfhaft die Brötchen-Tüte fest, die andere umklammerte eine Zeitung. Das Schnapsfläschchen hatte er direkt nach dem Austrinken in einem Mülleimer an der Tankstelle verschwinden lassen..

Er war eine unwirkliche Gestalt, inmitten der Menschenmengen die sich auf den Straßen tummelten um zur Arbeit oder zur Schule zu kommen. Er wirkte wie eine Anomalie oder ein Paradox. Irgendwie surreal eben.

Wenn jemand so früh am Morgen, wir hatten es kurz nach 7:00 Uhr, schon Schnaps trinkt, dann hat er mit Sicherheit an grenzender Wahrscheinlichkeit ein Alkoholproblem. Und dann läuft der Rest seines Lebens bestimmt auch nicht besonders gut.. Eigentlich bemitleidenswert, nicht?

Bloß, wann immer ich so ein Einzelschicksal sehe.. empfinde ich kein Mitleid.
Es widert mich eher an, es stößt mich ab, ich ekle mich, ich verurteile es.

Vielleicht, weil ich selbst so einen Fall in meiner Familie habe und jahrelang gezwungen war, mit anzusehen, was Alkohol aus Menschen machen kann. Bestien, Monster, Schattenwesen die ihrer Selbst beraubt wurden. Nein – die sich ihrer Selbst beraubt haben, mit ihren eigenen Händen.

Alkoholismus ist eine Sucht. Eine Sucht ist eine Krankheit. Kranke darf man nicht verurteilen, sie können nichts dafür dass sie krank sind. Sie haben es sich nicht ausgesucht.  – Welch lächerliche Phrasen!

Gefühlskalte Aci? Nein. Nur
völlig abgeklärt in ihren An-
sichten zu Alkoholmißbrauch.
Eines Tages hat jeder jetzt Abhängige die bewusste Entscheidung getroffen, Alkohol zu trinken (oder andere Drogen zu konsumieren). Jeder jetzt Abhängige hatte die Möglichkeit, aufzuhören, als es noch keine Sucht war. Und jeder jetzt Abhängige hätte die Verantwortung aufbringen können, aufzuhören, als er merkte, es könnte sich zur Sucht entwickeln.

Die Entscheidungen zugunsten des Alkohols, auch des übermäßigen Alkoholkonsums, sind – zumindest zu Beginn – immer bewusst gefallen!


Nur damit ich nicht missverstanden werde: 
Ich verstehe die Suchtproblematik, wenn sie erst einmal da ist. Aber ich verstehe nicht, wie erwachsene Menschen es überhaupt erst so weit kommen lassen können, dass sie abhängig werden. Und ich verstehe nicht, wie man allem und jedem die Schuld am eigenen Schicksal als Abhängiger geben, aber sie niemals bei sich selbst suchen kann.

Man hat sein Leben selbst in der Hand. Wer das nicht sieht, und danach handelt, hat auch kein Mitleid verdient.

Und deshalb ist der Anblick des Mannes von der Tanke für mich weder bemitleidenswert noch traurig, sondern einfach nur erbärmlich..

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